2010 - ISTANBUL
Istanbul 2010
Von: Dani
Die Oldfriends haben gerne grosse Dinge. Für die im kleinen Massstab und verborgenen stattfindenden kleinen Wunder der Welt sind ihre Sinne weniger geschärft. Das Motto lautet zwar nicht gerade "Klotzen statt Kleckern", das pulsierende Weltenleben sollte den Oldfriends während ihren Ausflügen aber schon direkt zu Füssen liegen. Aus diesen Gründen und weil Musti seinen Kumpanen seine alte Heimat zeigen wollte, setzten sich die Oldfriends im September 2010 freitagmittags in Kloten in ein Flugzeug der Swiss. Mit Peking und Shanghai hätte man die grössten Städte der Welt bereisen und der Maxime "bigger ist better" Folge leisten können. Für den Wochenend-Trip der Oldfriends musste es allerdings die mit 13 Mio. Einwohnern drittgrösste Stadt der Welt tun, zumal diese trotz lediglich dreier Stunden Flugzeit ebenfalls zur Hälfte auf asiatischem Boden liegt und es auch dort an "places to be" nicht mangeln sollte. Soviel zu den Gemeinsamkeiten. Ein grundlegender Unterschied offenbarte sich den Oldfriends bereits kurz nach der Landung auf dem Flughafen Atatürk. Er betrifft die Servicekultur. Denn während die Taxis in Fernost klimatisiert sind, verzichtet man in Nahost auf derlei Luxus und mag diesen auch Touristen aus dem Norden nicht gönnen. Und während der chinesische Taxifahrer redlich darum bemüht sein dürfte, möglichst dezent in Erscheinung zu treten, hupt, fuchtelt und rast der türkische mit seinen Berufskollegen um die Wette. Was aber in Anbetracht des in der kleinen Fiatlimousine herrschenden Mikroklimas viel dramatischer ist: Auch des Taxifahrers Körper reagiert auf die frühabendliche Hitze. Und da sich unser "driver" offensichtlich einen Deut um die Hygiene scherte, liess er seine ätzenden Körperausdünstungen derart im Innenraum verströmen, dass die Oldfriends um Luft und Fassung ringen mussten. So muss also ein Kebab mit viel Zwiebeln und Knoblauch riechen, der statt verdaut verdunstet wird. Nur zu gut also, dass Musti für die Nächtigung den europäischen Teil der Stadt auserkoren hatte. Dieser liegt näher beim Flughafen, so etwa in 20 Kilometer Entfernung. Allerdings fährt man in Istanbul freitagabends um fünf halt nicht mit 80 Sachen über die Kennedy-Caddesi. Diese führt vom Flughafen der Küste entlang zum goldenen Horn, von wo es nicht mehr weit zum Stadtteil "Beyoglu" und zum "Galata-Tower" ist, in dessen Nähe unser schmuckes Hotel, das "Galata live" in einer schmalen Gasse mit vielen kleinen Läden liegen sollte.
Nach knapp zwei Stunden Sardinenkiste wirkte dort das obligate erste Bier jedenfalls ungemein erfrischend. Und so setzten sich die Oldfriends gleich vor den Hoteleingang, um Teil des pulsierenden Lebens, das in dieser von Jugendstilhäusern gesäumten Gasse herrschte, zu werden. Immerhin wurden die durstigen Schluckspechte von der Hotelbesitzerin noch genug früh darauf hingewiesen, dass man mit den Bierhumpen hier nicht zu doll herumfuchteln sollte. Denn einerseits befand man sich hier ja nicht am Ballermann, und andererseits hatte das erst kürzlich eröffnete Hotel offiziell noch keine Schankgenehmigung. Allfällige Fragen von Ordnungshütern sollte man laut Chefin deshalb mit "Apfelsaft" beantworten. Eine zu expressive Verhaltensweise, welche die euphorisierten Oldfriends gerne mal zum Ausdruck bringen, hätte da natürlich freilich weitere Fragen aufgeworfen. Und die Zeit für ekstatische Bewusstseinszustände sollte schliesslich bald noch kommen. Zuvor machte sich allerdings erst einmal kurz Ernüchterung breit, als man sich Gewahr wurde, dass die Türken den Oldfriends in Sachen Geschäftstüchtigkeit keineswegs nachstehen. Die frischen Mandeln schmeckten im Restaurant so köstlich, dass niemand bemerkte, dass dies keine Aufmerksamkeit des Hauses war, sondern die Dienstleistung eines fliegenden Händlers, welche mit umgerechnet rund zehn Franken pro Schälchen vergütet werden musste. In Anbetracht der später am Abend bei vollem Bewusstsein georderten Dienstleistungen, waren diese paar Scheine allerdings weniger als "peanuts".
Das "Reina" ist zurzeit der "place to be" in Istanbul. Freilich nur für die Ausländer und "upperclass"-Türken. Schliesslich kostet dort ein Tisch mit "Equipment", sprich einer Flasche Wodka samt Säften und Salzigem etwa so viel, wie der türkische Normalverdiener in einem Monat erarbeiten kann. Dass eine Horde Männer dort überhaupt Einlass bekommt, ist übrigens auf das weitreichende Beziehungsnetz von Roli zurückzuführen. So geschah es, dass man vom Bodyguard ohne Umstände und Eintritt direkt an die Gestade des Bosporus in ihrer exklusivsten Form geleitet wurde. Direkt neben der Bosporus-Brücke gelegen, bietet das "Reina" unter freiem Himmel atemberaubenden Ausblick auf die imposante, nächtliche Kulisse der Metropole. Auf dem Olymp der Clubs angekommen, entschied man sich tags darauf deshalb gleich nochmals für diese "Location". Zuvor besichtigte man am Samstag aber noch die Sultan-Ahmed-Moschee, auch "Blaue Moschee" genannt, sowie die Cisternia Basilica. Beides Bauwerke, die der Istanbulreisende gesehen haben muss – auch wenn ihm der Sinn mehr nach Amüsement und Konsum steht. Ausgedehnter beschäftigte man sich deshalb mit dem Grossen gedeckten Basar, dem Kapali Carsi. Vor allem die zahlreichen Uhrengeschäfte übten insbesondere auf Roli eine ausgeprägte Anziehungskraft aus. Schliesslich kamen die feilgebotenen Kopien verblüffend nah an ihre teuren Vorbilder heran. Ein Glück, dass kein Schweizer Zöllner auf die Idee kam, unser Gepäck nach Fälschungen zu durchsuchen.
Glück hatten die Oldfriends auch bei der Wahl des Lunchlokals. Hoch oben auf der Dachterrasse eines Restaurants liess es sich nicht nur vorzüglich dinieren, sondern man bekam bei exzellenter Weitsicht auch einen Eindruck von der schieren Grösse Istanbuls. Nach einem Nickerchen im Hotel waren abends wieder alle fit für das "Reina". Den Magen füllten sich die Oldfriends zuvor in einem kleinen Restaurant in einer Nebengasse gleich beim Hotel. Einmal mehr zeigte sich bei dieser Gelegenheit, dass Nüssli und Köche überhaupt kein Problem haben, wenn sich deren leere Mägen erstmal mit köstlichem Rotwein füllen. Es ist immer wieder erstaunlich… wie von Geisterhand leeren sich da die Flaschen. Den zweiten Abend im "Reina" feierte man nicht mehr so ausgedehnt, vor allem weil man keinen Tisch ergattern konnte und dieser Umstand die Stimmung etwas dämpfte. Zumal eine Horde wilder Holländer den Oldfriends die Show stahl und mit Champusflaschen nur so um sich warf. Da musste man sich am Sonntagmorgen vor dem Abflug doch noch etwas gutes tun. Ein Glück, dass es an der "Istiklal Caddesi", auch "Grande rue de Péra" oder "Unabhängigkeitsstrasse" genannt, die unweit des Hotels liegt, so viele Schuhgeschäfte gibt. Wer bis anhin gedacht hat, nur Frauen seien äusserst Schuh-affin hat weit gefehlt. Zwei oder drei Paare mussten es schon sein bei diesen vorteilhaften Preisen. Nur Mäke mochte sich nicht gleich so recht überzeugen lassen und verglich mit Ausdauer die Angebote, um keinesfalls einen schlechten Deal zu machen. Die geplante Bosporus-Schifffahrt musste wegen dem Regenwetter leider ausfallen, weswegen man sich nach dem Mittagessen bald zum Flughafen chauffieren liess. Bei dieser Gelegenheit lernten die Oldfriends dann auch ihr erstes Wort Türkisch. "Evet" stand da auf Fähnchen, welche die Strasse kilometerlang säumten und Plätze und Pärke wurden von Fahnen tragenden und schwenkenden Türken bevölkert. Wie uns Musti lehrte, war dieses Schauspiel Ausdruck der Bemühungen der türkischen Regierung, das Stimmvolk von der Wichtigkeit der bevorstehenden Verfassungsreform zu überzeugen. "Evet", "Ja" sagen deshalb auch wir. "Ja" nicht zur Reform, sondern auf die Frage, ob Musti mit seinem ersten Reiseprogramm einen Volltreffer gelandet hat. Danke Musti!